Manche Autoren holt sich das Theater um jeden Preis. Kristof Magnusson ist so einer. Der erfolgreiche Dramatiker schrieb zwei ebenso erfolgreiche Romane, die nun wiederum auf der Bühne gelandet sind. Und der zweite Roman "Das war ich nicht" bewährt sich – in einer Fassung des Regisseurs Ronny Jakubaschk – als Theaterstoff durchaus, wie die Uraufführung am Theater Basel zeigt.

In seinem Roman lässt Magnusson die drei Figuren als Ich-Erzähler miteinander ins Geschäft kommen und einander in einer zunehmend atemlosen Geschichte abwechselnd zur Rettung werden. Seine lebendige, direkte Sprache verrät seine Erfahrung und sein Können als Dramatiker. Es ist also sinnvoll, dass Jakubaschk, der dieses Jahr bereits Magnussons Debüt "Zuhause" dramatisiert und inszeniert hat, seine Fassung sehr nah an der Prosavorlage hält. Er übernimmt Magnussons klug komponierte Dramaturgie, seine gekonnten Pointen und arbeitet hauptsächlich mit epischem Text.

Jakubaschk setzt mit dem Ende der Geschichte ein – mit drei vermummten Gestalten auf der Flucht vor der Polizei – und rollt diese Schritt für Schritt auf.

Geschickt lässt der 31jährige Regisseur die Passagen der einzelnen Stimmen auf den Höhepunkt der Geschichte hin kürzer werden, was die zunehmende Verstrickung der Schicksale wirkungsvoll zum Ausdruck bringt und alles hektischer und atemloser wirken lässt – akustisch unterstützt von Verkehrslärm, Uhrenticken und vom Star Wars-Thema als Handy-Klingelton.

Die Schauspieler wenden sich mit ihren Geschichten direkt ans Publikum und agieren flink und locker zwischen den im Raum verteilten Stuhlreihen. Indem Jakubaschk die Figuren und ihre persönlichen Geständnisse und emotionalen Zustände in einem öffentlichen Raum ansiedelt, der stellenweise an ein Fernsehstudio erinnert, kreiert er eine interessante Spannung zwischen Selbstentblößung und Showmanship. Die in Sackgassen geratenen Lebensentwürfe und wackeligen Selbstkonzepte werden in dieser Arena gnadenlos offengelegt und ausgeleuchtet.

Wie Teile eines Filmsets etablieren einzelne Möbelstücke und Requisiten – Bürotisch, Sofa, Ständerlampe, Zimmerpflanzen – Spielorte im Raum. Diese schlichte szenische Anordnung erlaubt faszinierend schnelle, elegante Orts- und Szenenwechsel: So wird etwa die Thermosflasche, die Meike auf einen Tisch stellt, um ihr neues Heim zu markieren, von Jasper später mit Plastikbechern und Süßstoff zum Chicagoer Café ergänzt, in dem sich die drei Figuren treffen.

Einzelne Elemente haben symbolischen Charakter: Das groß an die Wand projizierte Wort "Trust"; die drei fahrbaren Spiegelwände, welche die Darsteller und das Publikum gleichermaßen reflektieren; oder der von Jasper im Fieber seiner Spekulationen gebaute wackelige Möbelhaufen, der am Ende wie ein Schuldenberg alles überragt.

Surreale Momente

Jakubaschk und sein Team beweisen an diesem äußerst kurzweiligen Abend ein feines Gespür für Timing und die richtige Tonlage.

Dass sie den Mut haben zu Überzeichnung und surrealen Momenten – etwa wenn Meike mit ihrer überdimensionierten Intellektuellenbrille durch den Briefkasten mit ihrem Chef spricht oder Henry sich einen Teppich wie einen langen Mantel umlegt und ihn samt darauf stehendem Sessel hinter sich herzieht – und dabei nie die Figuren verraten, überzeugt ebenso wie die offensichtlich große Spielfreude der Darsteller und die Entscheidung, den Theaterabend schärfer und skeptischer enden zu lassen als den Roman.

Nachtkritik

 

Magnusson zeigt die Finanzkrise nicht als abstraktes Phänomen, sondern als einen durch das System mitbedingten psychologischen Ablauf im Einzelfall. Durch den amüsanten Redefluss der drei Ich-Erzähler eignet sich der Roman bestens für eine Bühnenadaption. Regie und Textfassung von Ronny Jakubaschk schaffen zudem etwas, was das Buch nicht leistet: Die drei Figuren entwickeln in ihrer Abhängigkeit von Geld, Gier und Anerkennung einen je eigenen Ton. Nicht unglücklich ist man auch darüber, dass die Regie das Happy End der Buchvorlag zu einem ironischen Musical-Finale überhöht. 100 Minuten aktuelle Unterhaltung mit Witz und Biss.

Neue Zürcher Zeitung

 

Ronny Jakubaschk hat aus dem Roman eine Theaterfassung eingekürzt, mit sicherem Gespür für Bühnenwirkung, mit dramaturgischer Stringenz. Es funktioniert wie geölt. Tosender Beifall, Bravorufe ohne Ende

Basler Zeitung

 

Von Beginn weg kommt das Spiel mit Leichtigkeit und Lockerheit herüber, viel Empathie schwingt im Raum und alle sind irgendwie sympathsich, weil das Spiel immer als Spiel gezeigt wird, mit viel Ironie und Augenzwinkern. Regisseur Ronny Jakubaschk verleiht dem Stück einen unterhaltsamen Schwung. Jede Rolle spielt sich optmimal aus, der Unterhaltungswert ist groß, die knapp zwei Stunden Spielzeit vergehen im Flug. Die Schauspieler agieren ansteckend lustvoll und frei.

Basellandschaftliche Zeitung

 

Derart aufbrausenden Applaus könnte die Kunst öfter brauchen.

Der Sonntag

 

Aus den Einblicken in das durch die Krise in erschütterndem Ausmaß bestätigten Gebaren auf den Finanzmärkten hat Kristof Magnusson einen amüsanten Schelmenroman mit märchenhaftem Ausgang gemacht. Wie jetzt in Basel bei der Uraufführung zu erleben war, lässt er sich ohne Umstände und Verluste auf die Bühne bringen. Das liegt vermutlich daran, dass Magnusson als Dramatiker die ersten Erfolge feierte – und der Roman mit seinen drei Figuren sich für ein klassisches Kammerspiel geradezu anbietet.

Regisseur Ronny Jakubaschk, der auch die Bühnenfassung erstellt hat, musste jedenfalls nicht zu postdramatischen Mitteln greifen – auch dank seines Bühnen- und Kostümbildners Matthias Koch. In der Kleinen Bühne holt dieser das in mehreren Sitzblöcken um den Schauplatz herum postierte Publikum nicht nur möglichst nah heran ans Geschehen. Ihm gelingt auch mühelos der Perspektivwechsel zwischen den drei Protagonisten, die Schicksal oder Zufall oder beides im kalten Winter von Chicago aufeinander zuweht.
Das sind neben dem Broker, den Bastian Heidenreich mit flackerndem Blick und angemessener energetischer Aufladung gibt, der 60jährige Bestsellerautor Henry LaMarck, dem mitten in einer Schreibkrise zum zweiten Mal der Pulitzerpreis zuerkannt wird, und seine deutsche Übersetzerin Meike Urbanski, die sich, als das Manuskript des angekündigten großen Romans ausbleibt, auf die Suche nach ihrem Autor macht.
In der Vorlage ergibt sich daraus ein zuerst lustiges, später abgenutztes Spiel mit verpassten Begegnungen. Die Bühne wirkt hier wie ein Verdichtungsraum: Man läuft sich notgedrungen schneller über den Weg, obwohl man eigentlich auf der Flucht voreinander und vor dem Leben ist: Der Schriftsteller hat einen Rochus auf die Übersetzerin, weil sie ihm auf fünf Seiten akribisch seine Fehler nachgewiesen hat. Die Übersetzerin findet den in sie verguckten Börsenmakler langweilig, derweil sich der schwule Autor in ein Zeitungsfoto des "verzweifelten Business-Boy" Lüdemann verliebt.
Das ist im Grunde der Stoff für eine intelligente Boulevardkomödie – und die kriegt das sehr angetane Publikum auch geboten. Die Aufführung lebt von Magnussons pointierten, witzigen, manchmal sogar geistreichen Mono- und Dialogen– und natürlich von den tollen Schauspielern. Inga Eickemeier kann ihr komisches Talent mit der ihr eigenen reichen Mimik voll ausreizen: schön auch die Rollenwechsel, bei denen mittels Webcam in den Tradersaal zu Reihe 29, Desk 3 – Jaspers Arbeitsplatz – geschaltet wird. Andrea Bettini ist als Henry LaMarck ein desillusionierter, manchmal bissig zuschnappender Grandseigneur, der, auch wenn er es nicht zugibt, an der Einsamkeit des Berühmten leidet, den keiner persönlich vermissen wird, wenn er vom Schirm der Öffentlichkeit verschwindet.
Das eint sie am Ende, diese Flüchtigen: Zuhause ist nirgendwo, Einsamkeit überall. Doch bevor sich diese tiefere Erkenntnis festsetzen kann, malt sich ein sehr konkreter Schrecken in Meike Urbanskis Gesicht. Die Polizei rückt an. Da bleibt die Bühnenfassung, anders als der Roman, hart an der Realität. Heftiger Applaus für einen vergnüglichen Abend ohne Nebenwirkungen.
Badische Zeitung

Trotz des ernsten Themas ist der Regie und den Darstellern ein unterhaltsamer Abend gelungen, der vom Premierenpublikum mit starkem Applaus bedacht wurde.
Radio Basel

asyl im paradies

meiningen

07.04.24

05.05.24

 

galileo galilei

karlsruhe

05.05.24

25.06.24

01.,04.,16.07.24

  

zwei herren

hannover

23.,30.03.24
 

effingers

karlsruhe

28.03.24

 12.&25.04.24

03.,09.,31.05.24

15.,23.06.24

18.07.24

 

 

gulliver

halle

19.-21.06.24