Die Drittklassigen
"Der Messias" im Frankfurter Schauspielhaus

 

Es geht ums Theater. Also um alles. Im Zentrum von allem aber stand einmal das Christentum. Zumindest hierzulande. Keine Überraschung daher, dass eine Gruppe, die sich "Abendländische Bühne Rhein-Main", kurz "Arm", nennt, das Anrührendste auf die Bühne bringt, was die Europa fundierende und grundierende Religion zu bieten hat: die Weihnachtsgeschichte. Die Erzählung von Maria und Joseph, dem Verkündigungsengel Gabriel, der Reise nach Bethlehem, der Geburt des Herrn, den Heiligen Drei Königen und den Hirten auf dem Feld verstehen die drittklassigen Schauspieler allerdings als Stoff für Selbsterfahrung. Da bleiben Konflikte, gruppendynamische Prozesse, emotionale Exzesse nicht aus. Theaterspielen als Therapie. Vor zahlendem Publikum. Aber auch als Ausdruck jüngst gewonnener esoterischer Einsichten. Als Botschaft vom Licht.

Es braucht glänzende Darsteller, um solche Schmierenkomödianten zu spielen. Michael Quast und Andreas Uhse können das. Nur so wirken Parodien auf die heiligste aller Familien nicht abgeschmackt, nur so entfaltet sich das Komische am miserablen Theater, ohne dass die Besucher peinlich berührt sind. Patrick Barlows Stück "Der Messias", von Volker Ludwig ins Deutsche übertragen, ist eine Satire auf die darstellende Kunst. In Frankfurt auch ein Satyrstück, das den gewichtigen Spielzeitbeginn am Schauspielhaus unter seinem neuen Intendanten Oliver Reese zitiert. Da tritt Quast alias Gottvater stampfenden Schrittes mit einer Einkaufspapiertüte über dem Kopf auf und spricht auch so, als sei er König Ödipus aus Thalheimers Sophokles-Inszenierung.
Das verzweifelt Schlechte auf die Bühne zu bringen, gelingt Quast in bewährter Manier: Sein Theodor Scholze-Stadermann changiert und chargiert zwischen Derbheit, Prinzipals-Gehabe, müdem Abwinken, euphorischem Spiel, cholerischen Gesten. Uhse als nachnamenloser Bernhard ist meistens der Geführte, wandelt aber immer wieder auf eigenen theatralischen Wegen und probiert etwa als Herodes Posen aus, die seinem zwischen ätherischer Weltabgewandtheit und unvermitteltem Auftrumpfen schwebenden Charakter nicht wirklich entsprechen. Als Maria ist er eine Idealbesetzung, im Ehestreit mit dem Zimmermannsgatten verblüfft er als archetypische Gemahlin. Als eine Art Sidekick agiert Sonja Ebel-Eisa in der Rolle der Opernsängerin Erna Timm, die den Abend musikalisch mit der Darbietung erhabener Töne würzt.
Auf der schmucklosen Bühne des Großen, allzu Großen Hauses werden wenige, als Talmi sofort erkennbare Requisiten wie Engelsflügel oder eine Faltpappen-Miniaturstadtansicht aufgeboten. Gelegentlich mutiert die von Ronny Jakubaschk inszenierte Veranstaltung zum Mitmach-Theater, wenn etwa die Zuschauer aufgefordert werden, sich der von Rom angeordneten Volkszählung mit Murren, dem Skandieren eines Satzes oder einzelnen Zwischenrufen zu widersetzen. Ein groteskes Spektakel. Ein reines Vergnügen. Genügend ins Abgründige driftender Humor vorausgesetzt.
Michael Hierholzer

 

F.A.Z., 31.10.2009

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