Regisseur Ronny Jakubaschk hat einen Ort auf die Bühne des Großen Hauses gestellt, den niemand als „Sevilla“ identifizieren würde. Dort entwickelt er dieses Melodramma buffa zu einem zauberhaften Stück voller märchenhafter Logik, voll mit Wiedererkennungs-Signalen. Im Märchen ist jeder zu Hause, fühlt sich jeder erschauert und geborgen. Und jeder findet seine Parallelen zur Wirklichkeit.Dieses „Sevilla“ liegt unter Wasser (Ausstattung: Matthias Koch). Der üble Bartolo, der sein Mündel Rosina und ihre Erbschaft ins Netz locken möchte, erscheint als Krake, Notar Basilio als Mischung von Schildkröte und Rochen. Graf Almaviva mutiert zum Hai, nachdem er sein Inkognito als Lindoro gelüftet hat. Drahtzieher Figaro ließe sich als Seepferdchen deuten. Und Rosina? Könnte eine Koralle sein. Es sind Figuren von sprühendem shakespearehaftem Geist. Über den Umweg, ihnen tierische Eigenheiten zu hinterlegen, gelingt der Regie ein Kunststück: Die Typen bleiben keine Schablonen, sie gewinnen vielmehr menschliche Anwandlungen.Wenn die Inszenierung prickelnd wirkt wie eine frisch entkorkte Flasche Champagner, dann liegt das an der Dosierung. Scherz, Ironie, Skurrilität und Bedeutung sind maßvoll gemischt. Statt Auswüchsen an Komik gibt es liebevoll gestaltete Details. Da legt Lindoro in der abgeriegelten Höhle Rosina bildlich die Welt zu Füßen. Da fordern seine Helfer mit Hummerscheren ihr Trinkgeld. Da nimmt die Regie auch mal mutig das Tempo heraus, ehe Rossinis Irrwitzigkeiten alles nieder rennen.Eine bekannte Oper, ganz anders gesehen als gewohnt. Unerhört? Überhaupt nicht!
nordwestzeitung
Geld regiert die Welt – auch beim neuen „Barbier“ im Staatstheater. Das jedoch auf eine märchenhafte Weise, wie die ganze Produktion dieser Rossini-Oper mit liebevollem Charme, Fantasie und gut
dosierter Situationskomik glänzt. Ohne Geld wäre es dem inkognito als Lindoro auftretenden Grafen Almaviva wohl nicht vergönnt, die attraktive Rosina zu erobern und zu befreien. Die junge Dame
lebt eingesperrt bei ihrem Vormund (Doktor Bartolo), der es auf ihr Vermögen abgesehen hat. Da braucht es Geschick, verkörpert durch die Titelfigur der Oper, den „Barbier von Sevilla“, und eben
Geld, um Mitwisser zum Schweigen zu bringen und manche Fesseln zu lösen. Doch das Team um Regisseur Ronny Jakubaschk und Ausstatter Matthias Koch macht aus Rossinis Komödie glücklicherweise kein
aktuelles Sozialdrama, sondern betont die märchenhafte Struktur der Handlung, ohne dass die Produktion dadurch bieder oder konventionell wird. So bebildern sie die monetären Aspekte dieser
Befreiungsoper mit einem Augenzwinkern, was nicht stört und vollkommen ausreicht, um deutlich zu werden.Das Publikum blickt auf ein höhlenartiges System, das wegen der faserigen Struktur zunächst
wie verwurzeltes Erdreich aussieht, sich dann aber als eine Art Korallengarten entpuppt. In aufwendigen Kostümen, mit tollen Masken und atmosphärischen „Unterwasserfarben“ leben hier menschliche
Fantasiewesen wie die Schildkröte Basilio, der Krake Bartolo, der schillernde Figaro und natürlich Rosina als Farbprächtigste dieser tierischen Menschen. Lindoro hingegen sitzt zunächst im
Zuschauerraum und springt dann, Rosinas Erscheinung sei Dank, durch eine imaginäre Trennscheibe hinein in das Märchen. Wird es ihm im ersten Finale zu stressig, flüchtet er zurück in die
Realität. Zum Ende hin verwandelt sich dieser Lindoro ordnungsgemäß in den Grafen Almaviva, was die selbstbestimmte Rosina ernüchtert. Angesichts des netzartigen Hochzeitskleides möchte sie aus
den Fängen dieses Hais flüchten und schafft es denn auch, die Trennwand zur Realität zu durchspringen.
Einstimmiger Jubel im Großen Haus des Staatstheaters.
weserkurier
Das Oldenburgische Staatstheater bezauberte in einer hinreißend ausgestatteten Neuinszenierung von Gioacchino Rossinis Oper 'Der Barbier von Sevilla' das begeisterte Publikum. Der Erfolg ist der Sichtweise von Ronny Jakubaschk (Inszenierung), Jason Weaver (musikalische Leitung) und Matthias Koch (Ausstattung) zu verdanken, die nicht nur das mitteilen wollten, was in Text und Partitur steht, sondern auch dahinter blickten: in die Untiefen der menschlichen Psyche. Ronny Jakubaschk versetzte die Handlung in eine märchenhafte Unterwasserwelt und führte ein umfassendes turbulentes Pandämonium menschlicher Gestalten und Verhaltensweise vor. Dabei bediente er sich virtuos aus dem Fundus der Archetypen der Commedia dell’arte. Das ganze wurde garniert mit märchenhaften Kostümen und vielen tollen Ideen. Hinzu kam eine virtuose Personenregie, die von allen Mitwirkenden einiges abverlangte und in spürbar bester Spiellaune umgesetzt wurde.Die Umfunktionierung des scheinbar töricht affirmativen Schlusstableaus zum bezwingenden Theatermoment, in dem Rosina aus der Unterwasserwelt geläutert heraustritt und so umgekehrt den Weg geht, den Graf Almavia nur von äußeren Reizen gesteuert und mit Hilfe seines Vermögens gehen konnte, ist kein aufgesetzter Effekt, sondern schlüssiger Bestandteil einer scharfsinnigen Sicht. Chapeau!
klassik.com
Lautes Lachen in der Oper ist normalerweise selten, doch Samstagabend hörte man es nicht nur ein Mal. Die Premiere von Gioachino Rossinis Opera buffa „Der Barbier von Sevilla“ am Oldenburgischen
Staatstheater offenbarte nach Heben des Vorhangs eine Überraschung nach der anderen. Das Publikum wird mit Graf Almaviva, von Michael Pegher höhensicher gesungen und mit charmantem Klamauk
gespielt, in eine märchenhafte Unterwasserwelt entführt. Die erste Musiktheater-Inszenierung von Regisseur Ronny Jakubaschk ist in mehrfacher Weise ein Glücksgriff. Musikalisches Feingefühl und
punktgenaue Personenregie korrespondieren mit der fantasievollen Ausstattung von Matthias Koch.Das Publikum feierte Musiker und Regie entgegen aller Oldenburgischen Zurückhaltung mit
langanhaltendem Applaus.
delmenhorster kreisblatt
Gioachino Rossinis komische Oper spielt farbig auf dem Meeresgrund (Ausstattung Matthias Koch) – eine brillante Idee des 34-jährigen Berliner Regisseurs Ronny Jakubaschk, der der Typenkomödie auf
diese Weise neue skurrile Aspekte abgewinnt, ohne ihr Gewalt anzutun.Doktor Bartolo, der sein Mündel Rosina einsperrt (das gefangene Wesen vom Beginn), erscheint prompt als Krake, sein Spitzel,
der intrigante Gesangslehrer Bartolo, als altgediente Schildkröte. Rosina mit ihren bunten Tüchern strahlt im Lichte von Kronleuchterquallen wie eine Seeanemone. Der listige Helfer Figaro saust
als Wassermann mit grünen Zottelhaaren schon mal tarzangleich an der Tang-Liane herein – ein Papageno der Tiefsee. Kein Wunder, dass da auch der Fremde aus dem Parkett – der Graf Almaviva des
Originals – immer gewitzter zum (Hai-)Fisch mutiert. Ansonsten funktoniert das Stück unter Wasser genauso wie sonst oben an Land. Burleske Figuren verstricken sich bis zur völligen
Verwirrung in ihre Pläne. Und alle sind nur hinterm Geld her, wie der Chor der Taschenkrebse dem Neuankömmling scherenklappernd klarmacht.Ja, vieles erzählt sich im Aquarium aus 1001 Nacht sogar
eleganter. So entgeht der Held seiner Verhaftung, indem er einfach wieder aus dem Märchen hüpft. Die Konfusion der übrigen Figuren, die in ihrer Welt gefangen bleiben, wirkt danach glaubhafter,
als wenn er seinen Adelsbrief vorgezeigt hätte.Ein ozeanisch tiefgründiger Spaß. Auch Opernfreunde, die schon viel gesehen haben, sollten in Oldenburg mal abtauchen.
nordseezeitung
Regisseur Ronny Jakubaschk hat Gioachino Rossinis extrem komische Oper dort 2013 in eine zauberhafte Unterwasserwelt transferiert. Eine
unorthodoxe Herangehensweise. Graf Almaviva sitzt zunächst als adrett gekleideter Burschi in der ersten Reihe, von wo aus er vom Anblick einer geheimnisvollen Schönen erst auf die Bühne gelockt
wird. Er kann sie aber nicht mehr haschen. Dass Dinge zu hoch sind und Leitern zu kurz, wird im Verlauf des dreistündigen Abends zu einem Wiederholungsscherz.
Die Eingangsszene, in deren Verlauf niedliche Meeresfrüchte sich anheischig machen, dem Grafen bei seinem Liebeswerben beizustehen, läuft stumm neben der Ouvertüre mit. Sie ist im Detail liebevoll auf die Effekte der Musik abgestimmt. Gleichwohl könnte man so zunächst fast überhören, wie der sehr junge Dirigent Paul-Johannes Kirschner (als Gast aus Oldenburg) ebenfalls weiß, diese Effekte in akustische Szene zu setzen.
Ein flotter, ausgelassener und doch klug gezügelter „Barbier“ wird sich daraus entwickeln, stimmlich weitgehend glanzvoll: Mit Brett Carter als einem in jeder Weise schlanken, hochpräsenten Friseur; mit Ziad Nehme als einem eingangs seltsamerweise unsicher wirkenden, an sich vor Kraft und Beweglichkeit strotzenden Almaviva; mit Geneviève King als einer reizvoll dunkeltönig grundierten Rosina; mit Peter Felix Bauer als sonorem Bartolo.
Der Witz darf sich stärker als gewohnt in der Musik fortsetzen, Ziad Nehme als näselnder „Musiklehrer“ im Schnellstrezitativ ist ein Vergnügen für sich. Bartolo wird beim Absingen des eigenen (altmodischen) Liebesliedes zum röhrenden Altrocker, eine schlaue Idee, die die Vergänglichkeit aller Musikmoden flugs auf den Punkt bringt.
frankfurter rundschau
Die Konventionen der Commedia dell’arte, von der Rossinis Meisterwerk durchdrungen ist, bilden den Rahmen für eine Kunst-Welt, in der es statt um glaubwürdige Psychologie um ein munteres Spiel von Formen, Farben und klassischen Komödien-Typen geht.
allgemeine zeitung
Dem Publikum scheint diese feuchtfröhliche Emanzipationsgeschichte überwiegend zu gefallen. Der Applaus ist anhaltend herzlich.
wiesbadener kurier
Rossinis typissierte Figuren erhalten eine Mozart geschulte psychologische Tiefenchärfe. Im Übrigen hat man viel zu Lachen: Über einen unfreiwillig tiefgekühlten Figaro, über den
echten Musiklehrer Basilio als Karettschildkröte, über die auf einer Tentakel geklampfte und mit dem Timbre eines Rockopas vorgetragene Ariette Bartolos. Dann heißt es Auftauchen: heftiger
Applaus für alle Mitwirkenden auf, hinter und vor der Bühne.
frankfurter allgemeine zeitung
Die prallbunte, weithin kurzweilige und familientaugliche Inszenierung verkneift sich Regieklimmzüge - lediglich das Happy-End, in dem Almaviva Rosina aus den Fängen ihre Vormunds
Bartolo rettet ist umgedeutet: Rosina ist erst einmal von der Freiheit begeistert und entwischt. Figaro als flotter Jack-Sparrow-Verschnitt, alle Hausschranzen und Bartolo als liebe voll
kostümierte Unterwassertiere. Das funktioniert und bietet Raum für eine wahre Kostümorgie udn viele gelungene Ausstattungsideen, die unvermeidlichen Parodie-Elemente und die geforderte Komik
gelingen größtenteils auf den Punkt getrimmt.
rheinzeitung
So unterhält der dreieinhalbstündige Abend auf hohem und vergnüglichem Niveau. So liebevoll und detailverliebt zeigen sch Regie und Bühne, dass man sich gern auf das Tiefsseabenteuer mit
stimmungsvoll glimmenden Quallen, Schatztruhen und Meeresleuchten zum Temporale im zweiten Akt einlässt. Alles ist so fröhlich und stimmig, dass man gern glabt, man stecke im Traum eines
Bekifften Käpt´n Nemo. Großer Applaus für einen rundum gelungenen, spaßigen Abend.
darmstädter echo